Elementarunterricht

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Charakteristika und Zweck

Der Elementarunterricht war der erste Teil des schulischen Curriculums, in dem die Schüler wichtige Grundvoraussetzungen für die weitere Schulbildung erlernten. Obgleich man davon ausgehen könnte, dass hierbei ein sukkzessives Lernen von einfachen Buchstaben über Syllabare hin zu komplexeren Texten erfolgte,[1] so legt die papyrologische Evidenz doch nahe, dass beispielsweise das Schreiben längerer Passagen bereits ohne Kenntnis der Silben oder Lesefähigkeit erfolgte, um so bereits in einem frühen Stadium die Schreibfähigkeit zu trainieren. Eine zeitliche Länge des Elementarunterrichts ist kaum feststellbar,[2], da Quantität und auch Qualität des Unterrichts stark von der Lehrperson, sozialem Status und der Umwelt abhingen.[3]
Seit dem Hellenismus war das Schreiben im griechisch-ägyptischem Milieu weiter verbreitet als zuvor,[4] weswegen der Grundausbildung in der Gesellschaft ein höherer Stellenwert zukam. Dementsprechend war auch eine kurze Ausbildung Grund zum Stolz, da sie Prestige und auch Schutz vor Betrug bot. Eine grundlegende Fähigkeit in diesem Zusammenhang stellte das Schreiben des eigenen Namens dar,[5] was leicht durch mechanisches Kopieren zu erreichen war.[6]

Inhalte

Alphabet und Erinnerungsvermögen

Der wohl wichtigste Inhalt des Elementarunterrichts war das Erlernen des Alphabets. Um dieses zu verinnerlichen, bestand der elementare Unterricht aus ständigen Kombinationsübungen des Alphabets, da dieses als intergraler Bestandteil aller weiteren Ausbildung galt. Hierfür sind auch die sogenannten chalinoi symptomatisch, also schwer aussprechbare Kombinationen des Alphabets, die zur Übung gebraucht wurden. Der alphabetische Aufbau von Ordnungen war auch in fortgeschrittenen Übungen gegeben und diente daher als wichtiges Ordnungsprinzip. Als Hilfen sind Vorlagen von Lehrern, aber auch Alphabetblöcke oder geschnitzte Alphabettafeln belegt (Letztere ermöglichten das Nachzeichnen der Buchstaben). Außerdem gibt es auch Nachricht über ausgefallenere Maßnahmen, wie etwa Sklaven, die nach dem Alphabet benannt waren,[7], Kuchen in Alphabetform oder musikalisches Einprägen.[8]
Eng verbunden mit der Erlernung des Alphabets war das Antrainieren eines guten Erinnerungsvermögens, das insbesondere als Mnemotechnik in der späteren Rhetorikausbildung eine zentrale Stellung einnahm. Aber auch für den akuten Wissenserwerb war eine gezielte Schulung der Erinnerung unumgänglich, weswegen diese anhand des Alphabets von Beginn an eingeübt wurde.[9]

Lesen

Soweit es sich nachvollziehen lässt, wurde das Lesen mit Hilfe eines synthetischen Verfahrens gelehrt, das bis zum Mittelalter Bestand hatte. Hierbei arbeietet man sich von den Buchstaben über die Silben, bis zu Worten und Sätzen vor. Ein großer Fokus wurde allerdings auf das Rezitieren und Auswendiglernen von Silben gelegt,[10] um das erlernte Alphabet sinnvoll zu ergänzen. Allerdings erscheinen die oft sehr exotischen Silbenkombinationen von wenig praktischem Nutzen und weisen viele Fehler von Seiten der Schüler auf. Auch sobald man sich beim Lesen den Worteinheiten angenähert hatte, blieben Silben durch die Annotation von Lesezeichen wichtiger Bestandteil.[11]
Insgesamt kann man das Erlernen des Lesens in der Antike als ein Zusammenspiel von mnemonischen und mechanischen Prozessen sehen (Augenkoordination), das viel Zeit benötigt und eine mentale Herausforderung darstellt. Nur wenige Gewährsmänner geben darüber Aufschluss, welche Schwierigkeiten beim Lesen verbreitet waren.[12] Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass die bilingualistische Gesellschaft des hellenistischen Ägypten eine weitere Hürde für Einheimische darstellte, da diese Lesen und Schreiben in einer Fremdsprache lernen mussten.[13]

Kulturpaket

Im Elementarunterricht drehten sich die Kalligraphie- und Gedächtnisübungen um eine begrenzte Auswahl von Texten, deren Kenntnis mit fortschreitender Ausbildung des Schülers erweitert wurde. Bereits in den frühen Schuljahren gab es Inhalte (u.a. Märchen, Maximen und Sprüche), die die Schülerinnen und Schüler auf allen Bildungsstufen begleiteten, so dass sie als Erwachsene diese voll beherrschten. Der Elementarlehrer bot den Schülern Übungen an, die auf den Versen Homers, manchmal auf Euripides und einigen gnomischen Zitaten aus Isokrates basierten. Das Kulturpaket eines Studenten war rein griechisch: Ziel war es, eine griechische Kultur und Denkweise zu vermitteln, ohne Raum für Aspekte der einheimischen Kultur zu lassen.[14]

Numerische Kompetenz

Das Studium der Rechnen war Teil einer vollständigen Elementarausbildung. Da die Griechen das griechische Alphabet mit drei zusätzlichen Zeichen zur Darstellung von Zahlen verwendeten, ging man davon aus, dass die Schüler Zahlen und das Alphabet gleichzeitig lernten. Die Schulübungen im Rechnen legen jedoch etwas anderes nahe: die ersten Übungen, diejenigen mit einfachen Zahlenfolgen, erscheinen in Kombination mit Silben- oder Wortlisten, und die Handschrift der Schülerinnen und Schüler ist nicht die ungeschickte der ersten Ansätze. Darüber hinaus lässt sich die Seltenheit von Übungen mit arithmetischen Berechnungen durch Übungen mit mündlichen Berechnungen, mit den Fingern oder mit der Tafel, dem Abakus, begründen. In der Hermeneumata werden Finger und Kieselsteine im Zusammenhang mit dem Zählen erwähnt, und ein Abakus und Bohnen gehören zu den Schulgegenständen. In einem späteren Stadium wurden Multiplikation und Fraktionen gelehrt. Während die Multiplikation keine großen Schwierigkeiten bereitete, war das Fraktionssystem etwas komplexer. In dieser Phase des Unterrichts waren die von den Lehrern ausgefüllten Tabellen von grundlegender Bedeutung, und die Schüler lernten sie erst dann auswendig, wenn sie eine bestimmte Lese- und Schreibfähigkeit erworben hatten.

In spezialisierten Schreibschulen scheint jedoch ein vertieftes Wissen über Multiplikation und Fraktionen, beispielhaft durch die Erstellung großer und komplizierter Tabellen durch die Schüler, ein integraler Bestandteil des Lehrplans gewesen zu sein. Über diese Schulen ist nicht viel bekannt, aber es gibt Belege dafür, dass gerade in diesen Berufsschulen Multiplikationstabellen und Fraktionen von Einzelpersonen in großem Umfang praktiziert wurden, die für ihre zukünftigen Aktivitäten nützlich sein könnten.[15]

  1. Dies postulieren etwa die antiken Theoretiker, die eine starre ordo docendi für den antiken Unterricht konstatieren; vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 169.
  2. Zwar nennt Platon 3 Jahre für den Elementarunterricht, allerdings ist unsicher, ob er hierbei alle Inhalte miteinbezieht, vgl. Plat. Leg. 7, 810a
  3. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 160-162; 169
  4. Insbesondere in ägyptischer Zeit war das Schreiben ausschließlich speziell ausgebildeten Schreibern vorbehalten, die die komplexe Hieroglyphenschrift, das kursive Hieratisch oder das komplexe Demotisch beherrschen mussten, vgl. Cribiore 'Gymnastics', 175
  5. Als eindrucksvolles Beispiel hierfür darf das [Petaus-Archiv] gelten, das unter anderem Petaus' Übungen seiner Unterschrift enthält. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 172.
  6. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 162-164; 167-169
  7. Vgl. Philostr. VS 558
  8. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 164-167.
  9. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 166-167.
  10. Vgl. Quint. inst. 1,1,30.
  11. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 171-174.
  12. Vgl. etwa Herodas' Didaskalos, 22-36.
  13. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 174-176.
  14. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 178-180.
  15. Vgl. Cribiore, 'Gymnastics', 180-184.