Scholien

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Entwicklung

Während zwar in der Antike auch eigene Kommentare zu speziellen Texten in separaten Büchern existierten (sogenannte Hypomnemata),[1] entwickelte sich etwa im 4.-10. Jhd. n. Chr. eine Kommentierung des Textes rund um den Text herum - insbesondere in den Randspalten -, die in der Fachliteratur als Scholion bezeichnet wird.[2] Das Auftauchen dieser Marginalien war vermutlich mit dem Wechsel der Buchform von Papyrusrollen zu Pergamentcodices verbunden, da letztere deutlich mehr Platz für Randbemerkungen boten. Oft wurde daher beim Kopieren Material aus den Hypomnemata als Randnotizen umgesetzt, wobei eine gewisse Vorauswahl aus verschiedenen Quellen getroffen wurde. Zwar lassen sich viele Randkommentierung bei antiken Papyri beobachten, allerdings waren diese eher elementarer Natur und kaum mit der systematischen Diskussion in Scholien zu vergleichen, die außerdem auch mehr alexandrinisches Material boten.[3]

Aufbau

Die uns erhaltenen Scholien sind oft dichte und systematische Sammlungen aus verschiedenen Quellen. Dabei bestand anders als in den Hypomnemata kaum der Wunsch zu einer Vereinheitlichung, sondern oftmals wurden mehrere Erklärungen zu einem Lemma geboten. Die verschiedenen Passagen konnten durch das Wort ἄλλως abgegrenzt werden, während zu Beginn des Scholions oder des jeweiligen Lemmas oft Quellenangaben gemacht wurden.[4]

Die byzantinischen Scholien

Im engen Zusammenhang mit den Scholien steht die byzantinische Gelehrsamkeit der ausgehenden Antike. Da die damaligen Gelehrten noch Zugriff auf ältere Kommentare hatten, stellen die Scholien dieser Zeit wichtige, aber oft unberücksichtigte Belege für die antike Gelehrtentradition dar. Wichtige Vertreter sind etwa:

Daneben sind auch das Etymologicum genuinum (9. Jhd.) sowie die Suda (10. Jhd.) wichtige enzyklopädische Quellen.
Eine grundlegende Unterscheidung stellt auch diejenige zwischen den scholia recentiora, also den jüngeren Scholien der byzantinischen Gelehrten, und den scholia vetera, die aus älteren Quellen stammen, dar.[5]

Forschung und Probleme

Das Interesse der Forschung gilt vorwiegend denjenigen Scholien, zu denen keine ursprünglichen Hypomnemata erhalten sind.[6] Weiterhin wurde lange Zeit die Bedeutung der jüngeren byzantinischen Scholien verkannt, obgleich die damaligen Gelehrten noch Zugriff auf manche antike Kommentare hatten, die in der Folgezeit verloren gingen.
Probleme in der Beschäftigung mit den Scholien bestehen darin, die ursprüngliche Quelle der Bemerkungen und Informationen auszumachen. Außerdem wurde der Scholientext in der Manuskripttradition oft von den Kopisten nicht mit solcher Sorgfalt behandelt wie der Haupttext, sodass es zu Umformulierungen, Umstellungen und Korruptelen kam. Eine weitere Herausforderung stellen hybride Manuskripte aus byzantinischer Zeit dar, die oft den Text aus einer Quelle übernahmen, während Scholien aus anderen Quellen dazugeschrieben wurden.[7]

  1. Dabei gab es neben Kommentaren einzelner Gelehrter auch zusammengestellte Kommentare (v.a. in römischer Zeit), die zwar eine Auswahl aus früheren Exemplaren boten, aber dennoch nahtlos und uniform zusammengestellt waren (etwa die Kommentare des Didymos). Vgl. Dickey (2007) 12.
  2. Daneben wird das Wort Scholion bisweilen auch für kontinuierliche, alleinstehende Kommentare oder auch für jede Art von Kommentar gebraucht, wie das etwa bereits in byzantinischer Zeit, aber auch im Neugriechischen der Fall ist. Vgl. Dickey (2007) 11, FN 25.
  3. Vgl. Dickey (2007) 11-13.
  4. Vgl. Dickey (2007) 12-13.
  5. Vgl. Dickey (2007) 14-17.
  6. Das sind vor allem die literarischen Scholien, während solche mit philosophischem, medizinischem und mathematischem Inhalt eher unbeachtet bleiben. Vgl. Dickey (2007) 13.
  7. Vgl. Dickey (2007) 13-17.