Fälschungen

Aus HercWiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Forschungsgeschichte

Auf Fälschungen in den Abzeichnungen der herkulanischen Papyri wie zuerst Wilhelm Crönert 1898 hin. Grund für die Fälschungen war wohl das Belohnungssystem für gelieferte Abzeichnung_der_Herkulanischen_Papyri. Als das von Antonio Piaggio entwickelte [1] nicht mehr angewendet wurde, sondern die Pappyri durch Scorzatura geöffnet wurden, bei der die Stücke Lage für Lage abgeschrieben und abgekratzt wurden, so daß am Ende nur noch die letzte Lage "ultimo foglio" oder "scorza" übrig blieb, hatte man auch kein Kontrollmöglichkeit mehr.

Crönert 1898

Für Wilhelm Crönert (in den Abschriften der Herculanensischen Rollen, RhM 53 (1898), S. 585-595). ist vor allem Francesco Casanova als Fälscher verdächtig. Bei der Abschrift von 145 Tafeln der Collectio Altera (VH²) hat er an bestimmten Stellen griechische Buchstaben ohne Sinn aneinandergereiht und diese Buchstabenkolonnen in verschiedenen Fragmenten wiederholt. Da er der griechischen Sprache nicht mächtig war, hat er wohl auf diese Weise seinen täglichen Lohn aufgebessert, denn er wurde nach Umfang der Abschreibungen bezahlt. Crönert hat dieses Vorgehen sehr anschaulich an vier Tafeln belegt:

Wiederholungen von Buchstabenkolonnen

  • VH² VII, S. 200 (Z. 2-14) = VH² VIII, S. 108 (Z. 2-14)
  • VH² VII, S. 200 (Z. 6-15) = VH² VIII, S. 74 (Z. 1-9)
  • VH² VIII, S. 65 (Z. 1-7) = VH² VIII, S. 74 (Z. 10-16)
  • VH² VIII, S. 108 (Z. 7-15) = VH² VIII, S. 74 (Z. 1-9) (ergänzt CR)

Neben Francesco Casanova verdächtigt Crönert auch Francesco Celentano und Carlo Malesci als Fälscher, die beide in den Abzeichnungen große Ungenauigkeiten aufweisen. Bei Giambattista Casanova sieht er hingegen lediglich Fehler bei der Verwendung von Ο und Ω.

de Gianni-Napolitano 2016

In ihrem Aufsatz Francesco Casanova disegnatore dei papiri ercolanesi, CErc 46/2016. 137–159 führen die beiden Autoren die von Crönert begonnen Betrachtung der Fälschungen Francesco Casanovas fort und untersuchen besonders die beiden Inventarnummern P.Herc. 459 und 1111. An diesen beiden Stücken konnten sie einerseits durch den Vergleich mit den noch existierenden scorze und das Auffinden von besonders häufig wiederkehrenden Sequenzen sicher beweisen, dass Francesco Casanova absichtlich und systematisch und nicht nur durch Versehen oder Ungenauigkeiten Teile seiner Arbeit gefälscht hat bzw. mehr Buchstaben aufschrieb, als eigentlich zu sehen waren.
Zudem versuchen die Autoren, die heutigen Inventarnummern mit denjenigen auf den Abzeichnungen und Kupferstichen in Einklang zu bringen, da dort mit der Zeit einige Nummern vertauscht wurden, was einen Vergleich zum Zwecke der Falsifizierung erschwert.

de Gianni-Napolitano 2019

In ihrem Aufsatz Francesco Celentano e Carlo Malesci disegnatori dei papiri Ercolanesi, CErc. 49/2019. 173–190, untersuchen Angelica De Gianni und Stefano Napolitano die von Crönert zusätzlich aufgeführten Verdachtsfälle im Einzelnen. Das Ergebnis bestätigt den Verdacht nicht.

Francesco Celentano

Von Crönert wurden fünf Papyri verdächtigt, Fälschungen zu enthalten: PHerc. 1383, PHerc. 1787, PHerc. 1026, PHerc. 296, PHerc. 310.

  • PHerc. 1383 zeigt keine der Methode Casanovas entsprechende Techniken. Beim Vergleich mit den erhaltenen Fragmenten fanden sich keine Abweichungen.
  • Von PHerc. 1787, das mit Scorzatura geöffnet wurde, ist kein Vergleich mit der Vorlage mehr möglich.
  • Von PHerc. 1026 wurde die Echtheit von V. Damiani erwiesen.
  • Von PHerc. 296 Fr. 8 wurde ein Vergleich mit dem erhaltenen Original durchgeführt. Celentano hat die linke Seite korrekt abgezeichnet, während bei der rechten, schlecht erhaltenen Seite Fehler vorkommen, die aber nach Napolitano dem schlechten Erhaltungszustand geschuldet seien.
  • Für PHerc. 310 konnten keine Fehler festgestellt werden.

Durch diese Vergleiche mit den erhaltenen Fragmenten konnte für Napoletano der Verdacht Crönerts widerlegt werden.

Carlo Malesci

Von Crönert wurden neun Papyri verdächtigt, Fälschungen zu enthalten: PHerc. 1087, PHerc. 1608, PHerc. 1646, PHerc. 1616, PHerc. 1613, PHerc. 1114, PHerc. 807, PHerc. 437, PHerc. 240.

  • PHerc. 807 ist besonders interessant , da hier vom Originalpapyrus noch Reste vorhanden sind und verdächtige Abschnitte von L. Giuliano 2007 mit den Abschriften verglichen werden konnten. Von den zwei Abzeichnern arbeitete Lentari korrekt, während bei den Abschriften von Malesci sich in vielen Punkten Unterschiede zum Original feststellen lassen und so die Ergebnisse irreführend und unzuverlässig seien. Er fügt laut Giuliano Zeilen ein, die zu unterschiedlichen Ebenen gehören und überspringt ganze Zeilen, was dann oft gar keinen Sinn ergibt. Häufig verwende er Buchstabenfolgen wie αντρο, αντ, αν, τω, πολλα, αλλ, die nur in der Hälfte der Fälle im Original vorkommen.
  • Bei PHerc. 240 liegt der Fall ähnlich. Auch hier sind die Buchstaben folgen richtig wiedergegeben, aber die Reihenfolge der Fragmente ergibt keinen Sinn. In anderen Abschriften tauchen Buchstabenkombinationen auf, die wegen ihres häufigen Vorkommens in dem speziellen Papyrus und in den anderen von Crönert verdächtigten Papyri auffallen. Es wird vermutet, dass Malesci, der durch seine jahrelange Arbeit mit dem Griechischen vertraut war, Buchstabenfolgen als Versatzstücke zwischen den Zeilen einsetzte. Allerdings hat er wohl keine nichtexistenten Zeilen produziert.
  • Auch in PHerc. 1646, 1608 und 1114 gibt es neben plausiblen auch verdächtige Abschnitte.

Ein Beispiel ist die Buchstabenfolge καιμαλλωνκαι, die mehrmals in verdächtigen Abschnitten auftaucht.

  • In PHerc. 1616 sind verdächtige Versatzstücke και, ηπερουγαρκουν, αλλων, τωντας, αλλατωντα und andere.

De Gianni führt diese Fehler vor allem auf Versehen und Verwechslungen aufgrund von Unaufmerksamkeit und Überlastung durch die anderen Aufgaben vor allem bei schwer lesbaren Stellen zurück. Im Unterschied zu Francesco Casanova dürfe man bei Malesci nicht von Fälschungen aus Gewinnsucht sprechen.

Papyrologisches

Betroffene Papyri

laut Crönert

  • VH² VII, S. 74-80 (P.Herc. 1104)
  • VH² VII, S. 197-200 (P.Herc. 1007)
  • VH² VIII, S. 36-41 (P.Herc. 1601)
  • VH² VIII, S. (63-74 (P.Herc. 1108)
  • VH² VIII, S. 75-81 (P.Herc. 1096)
  • VH² VIII, S. 108-118 (P.Herc. 1110)
  • VH² IX, S. 133-141 (P.Herc. 458)
  • VH² IX, S. 142-186 (P.Herc. 459)
  • VH² X, S. 155-175 (P.Herc. 1090)
  • VH² X, S. 185-201 (P.Herc. 1111)
  • VH² XI, S. 135-140 (P.Herc. 1645)

Typische Buchstabenfolgen Casnovas

  • ΑΠΙΜΥ
  • ΜΕΣΤΟΣΚΑ
  • ΜΦΙΑΡΑΟΣ, ΦΙΑΡΑΟΣΜΑ, ΦΙΡΑΟΣΜΑ
  • ΘΕΛΗΤΟΥΣ, ΣΘΗΛΤΟΥΣ, ΕΘΕΛΗΤΟΥΣ
  • ΝΑΤΟΠΟΝ
  • ΝΕΤΕΡΩΙΛ, ΝΕΤΕΡΩΙΜ
  • ΛΕΥΤΙΚΟΝ, ΛΕΥΤΙΚΟΝΕ
  • ΓΥΣ, ΤΥΣ, ΠΛΥΣ
  • ΠΡΩΣ, ΘΡΩΣ
  • ΓΑΡΣΙΝ, ΤΑΡΙΣΙΝ, ΠΑΡΟΣΙΝ
  • Wortzusammensetzungen mit ΦΙΛ-

Zusätzlich von de Gianni-Napolitano 2016 in P.Herc. 459 und P.Herc. 1111 festgestellt:

  • Μ und Ν, abwechselnd mit Vokalen
  • ΓΙΝ-ΓΟΝ oder ΓΙΝ
  • ΚΑΙ
  • ΤΙΣ-ΤΙΝ oder ΤΙΝ
  • Π und Τ (oder Τ und Π), abwechselnd mit Vokalen (bspw. ΠΥΤΙ, ΠΑΤΑΤΕΝ, ΤΟΠΙΤ, ΠΙΤΙ, ΠΙΤ, ΠΙΤΕ, ΤΕΤΟΠΕ, ΠΟΤΕ, ΤΥΠΑ, ΠΑΤ, ΠΑΤΙ, ΠΑΤΑΤΕ, ΠΟΤΕΤ, ΠΑΤΑΤΙ, ΤΑΠ, ΠΑΤΥΤΑΙ, ΠΙΤΟ, ΠΙΤΥ, ΤΟΠΙ, ΤΕΠΑ, ΠΙΤΕΡΟ, ΠΟΤΙΝ, ΠΑΤΟΝ, ΠΟΣΙΤΕ, ΠΙΤΗΞ, ΠΟΤΗΜ, ΠΙΤΟΤ)
  • ΜΑΤ
  • ΠΑΡ
  • ΑΛΛ und ΑΛΛΑ
  • ΤΥΣ oder ΤΙΣ
  • ΠΡΟ (bspw. ΠΡΟΤΕΡΟ, ΠΡΟΣΤΩ, ΠΡΟΣΤΕΣΤ, ΠΡΟΣΤΕ, ΠΡΟΤΟ, ΠΡΟΣΤΥΤ, ΠΡΟΣΤΗΝ, ΠΡΟΤΡΟΠΗΝ, ΠΡΟΤΕ, ΠΡΟΣ, ΠΡΟΤ)
  • ΠΟΛΛΑ
  • ΠΑΝ
  • ΓΑΤ
  • Sequenzen vom Typ ΕΡΟΣΙΤΕ (bspw. ΕΡΟΣΙΝ, ΤΕΡΟΣ, ΕΡΟΤΙΝΕ, ΜΕΡΟΣΙΣ, ΣΙΤΕΡΟΣ,
  • Sequenten, die mit dem Adjektiv φίλος oder ähnlich verbunden sind (bspw. ΦΙΛΑΝ, ΦΙΛΟΣΟ, ΦΙΛΑΝΤΡ, ΦΙΛΩΣΟ, ΦΙΛΟ, ΦΙΛΑΝΤ, ΦΙΛΙΣΤΑΣ)
  • Γ und Λ, abwechselnd mit Vokalen
  • ΠΡΩΣ-ΠΡΩ oder ΠΡΩΣ
  • Sequenzen, die mit dem Adjektiv κοινός zusammenhängen (bspw. ΣΙΚΟΙΝΟ, ΚΟΙΝΟΤΕ, ΟΙΝΟΤΕΤ, ΚΟΙΝ, ΚΟΙΝΟΤ)
  • Λ, Γ und Τ, abwechseln mit Vokalen (bspw. ΛΩΓΟΤΟΝ, ΛΟΓΙΤΙ, ΤΙΓΟΛΟ, ΠΙΛΟΓΟΤ, ΛΕΥΟΤΙ)
  • ΚΑΙΠΑΡΑ oder PARAKAI
  • Γ, Ν und Τ, abwechselnd mit Vokalen (bspw. ΓΙΝΙΤΟ, ΓΙΝΙΤ, ΤΙΓΙΝ, ΓΙΝΙΤΙ)
  • ΥΣΠΟΙΕ oder ähnlich (bspw. ΤΥΣΠΟΙΕ, ΟΥΣΠΟΙΕ, ΛΥΣΠΟΙΕ)
  • ΛΕΜΑΤΙ
  • ΓΥΣΙΤ oder ΣΙΤΙΓΥΣ
  • ΤΑΟΑΝΤ oder ΤΑΟΝΤΑΤ
  • Sequenzen, die mit dem Adjektiv θανάσιμος zusammenhängen (bspw. ΟΝΣΙΜΩΝ, *ΩΝΘΑΝΑΣΙΜ, ΝΕΣΙΜΟ)
  • ΤΟΜΑΚΑΡΙΟ
  • ΚΑΘΑΠΕΡ
  • ΤΕΙΣΚΑ

Typische Buchstabenfolgen Malescis

  • ΑΝΤΡΟ, ΑΝΤ, ΑΝ
  • ΤΩ, ΤΩΝΤΑΣ
  • ΠΟΛΛΑ
  • ΑΛΛ, ΑΛΛΩΝ, ΑΛΛΑΤΩΝΤΑ
  • ΚΑΙ
  • ΑΙΜΑΛΛΩΝΚΑΙ ΩΝΜΑΛΛΩΝ ΤΩΝΜΑΛΑ
  • ΗΠΕΡΟΥΓΑΡΚΟΥΝ
  • ΠΟΛΙΤΙΚ
  • ΦΙΛΟΣΟΦΟ
  • ΡΗΤΟΡΙΚΟ